Was die abstrakte Verweisung für Arbeitnehmer, ist die sogenannte Umorganisationsklausel für Selbstständige und Freiberufler: Wenn sie im Falle von gesundheitlichen Einschränkungen und schwerer Krankheit ihren Betrieb, ihre Praxis oder Kanzlei so umgestalten können, dass sie in irgendeiner Form weiterarbeiten können, gelten sie nicht als berufsunfähig. Die Folge: Es wird auch keine BU-Rente ausgezahlt. Manche Versicherer bieten zumindest eine einmalige Kapitalzahlung an, falls es tatsächlich zu einer Umorganisation kommt.
Was bei Angestellten zu einem Leistungsauslöser der BU führt, muss bei Selbstständigen und Freiberuflern noch nicht der Fall sein. Sie können ihre Aufgaben und Abläufe etwa mit Hilfe der eigenen Mitarbeiter umorganisieren und weiterhin Betriebsinhaber bleiben. Wenn dies ohne erheblichen Einsatz von Kapital und ohne deutliche Einbußen an Einkommen möglich erscheint, wird die BU-Versicherung die Leistung verweigern. Was für einen Ein-Mann-IT-Betrieb wenig wahrscheinlich erscheint, sieht bei einem Inhaber einer Gärtnerei mit mehreren Angestellten womöglich ganz anders aus.
Was ist eine zumutbare Umorganisation?
Formulierungen wie „erheblicher Kapitaleinsatz“ oder „erhebliche Einkommenseinbußen“ sind jedoch nicht scharf definiert und können im Zweifelfall variabel ausgelegt werden. Ist es zum Beispiel noch wirtschaftlich zumutbar, eine qualifizierte Ersatzkraft einstellen und bezahlen zu müssen, um den Betrieb zu erhalten? In den letzten Jahren entscheiden daher in einigen Fällen erst Gerichte, ob die Auszahlung einer BU-Rente an Selbstständige erfolgt.
In der Branche variieren die entsprechenden Klauseln. „Grundsätzlich gilt: Je konkreter und verständlicher die Bedingungen formuliert sind, desto vorteilhafter ist das für den Versicherten“, erklärt Michael Hinz, zuständig für das Marktmanagement Leben, Unfall und Finanzzweige der SIGNAL IDUNA Gruppe. Der Wettbewerb unter den Versicherern habe hier mittlerweile zu einer deutlichen Verbesserung der Transparenz geführt.
Verzicht auf Klausel in drei Fällen
Am besten ist es natürlich, wenn ein BU-Tarif prinzipiell ganz auf die Umorganisationsklausel verzichtet. Das ist allerdings nur selten der Fall. Ansonsten gibt es drei wesentliche Einschränkungen, die in der Branche üblich sind. Versicherer verzichten auf die Umorganisationsklausel etwa, wenn:
- die Umorganisation des Arbeitsplatzes zu mehr als 20 Prozent Einkommenseinbuße führen würde. Als Referenzwert wird dazu meist der durchschnittliche steuerliche Jahresgewinn der letzten drei Jahre herangezogen. In der Praxis bedeutet das für viele Einzelkämpfer, dass ihnen die Einstellung zusätzlicher Fachkräfte nicht zumutbar ist.
- der Versicherungsnehmer entweder Einzelunternehmer ist oder maximal drei weitere Mitarbeiter beschäftigt. Dies muss nicht zum Zeitpunkt des BU-Abschlusses gelten, aber zum Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit.
- der Versicherungsnehmer ein Akademiker ist, dessen Job aus mindestens 90 Prozent kaufmännischer oder organisatorischer Tätigkeit besteht. Hier empfiehlt sich indes noch eine nähere Definition, was der Versicherer eigentlich darunter versteht.
Berufsunfähigkeitstarife können eine, zwei oder alle drei dieser Varianten beinhalten. Je nach Ausgestaltung der Tätigkeit als Selbstständiger oder Freiberufler sind diese Kriterien unterschiedlich wichtig. Zu achten ist auch darauf, auf welchen Personenkreis die Klausel Anwendung findet. Gilt sie nur für Selbstständige oder auch für Gesellschafter oder Angestellte mit Weisungsbefugnis?
Vergleichsprogramme zeigen Details nicht an
All diese Details sind bisweilen tief im Bedingungswerk der Tarife verborgen. Die Übersichten über BU-Tarife von Online-Vergleichsplattformen oder Ratinggesellschaften helfen dem Makler meist nicht weiter. „Sie zeigen oftmals nur an, ob eine Umorganisationsklausel besteht, aber nicht wie diese gestaltet ist. Daher hilft dem Makler nur ein akribischer Blick in die Produktdetails der BU-Angebote“, rät SIGNAL-IDUNA-Experte Hinz.
Eine transparente und verbraucherfreundliche Umorganisationsklausel ist zwar für Selbstständige und Freiberufler ein wesentliches Kriterium für den Abschluss eines BU-Tarifs, garantiert allein aber noch keinen qualitativ hochwertigen Schutz der Arbeitskraft. Natürlich sollten auch unter anderem die zugesicherten Leistungen, die Beitragshöhe, Flexibilität, Nachversicherungsgarantien und das Servicelevel des Versicherers in die Entscheidung für einen BU-Tarif miteingehen.