Der Nachteil allzu günstiger BU-Policen

Günstig ist nicht automatisch auch immer gut. Das gilt besonders für den Abschluss einer Berufsunfähigkeits­versicherung. Wichtiger als niedrige Beiträge sind hier die Leistungen. Deshalb sollte man Lock-Offerten immer mit großer Vorsicht genießen.

Veröffentlicht am 03. Juni 2020

Der Qualitätsstandard in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) hat sich in den vergangenen zehn Jahren immer weiter verbessert. Abstrakte Verweisungen auf andere Tätigkeiten im Leistungsfall sowie schwammige und unverständliche Bedingungswerke sind selten geworden. Gleichzeitig hat sich der Wettbewerb um neue Kunden immer mehr verschärft. Neben der Leistung ist für viele Kunden natürlich die Höhe der monatlichen Beiträge ein entscheidendes Auswahlkriterium.

Doch nicht alle günstigen Tarife sind für den Kunden auch lohnenswert. Bisweilen ergibt sich ein günstiger Beitrag durch eine zu niedrige Versicherungssumme. „In der Regel sollten rund 60 Prozent des aktuellen Bruttoeinkommens über eine BU abgesichert werden. Im Minimum sollten es 50 Prozent sein“, sagt Michael Hinz, zuständig für das Marktmanagement Leben, Unfall und Finanzzweige der SIGNAL IDUNA Gruppe. Variable Optionen zur Aufstockung bei bestimmten Sachverhalten wie Heirat, Jobwechsel oder der Geburt eines Kindes sollten in den Bedingungen der BU-Police enthalten sein.

Bemerkt der Kunde Jahre später eine zu geringe Absicherung, kann er den Schutz bei manchen Billigtarifen oftmals überhaupt nicht oder nur über eine neue Gesundheitsprüfung erhöhen. Hier drohen dem Versicherten dann neue Leistungsausschlüsse oder Aufschläge aufgrund eines verschlechterten Gesundheitszustandes.

 

Sonderaktionen mit vereinfachten Gesundheitsfragen

Manche Versicherer fahren zudem regelrechte Vertriebsaktionen mit extrem günstigen BU-Tarifen und koppeln diese an vereinfachte Gesundheitsfragen. In diesem Fall werden weniger medizinische Sachverhalte und kürzere Zeiträume als bei den regulären BU-Tarifen abgefragt. Meist richten sich diese Sonderaktionen an Berufsgruppen wie Anwälte oder Ärzte, die als risikoarme Berufe gelten und ohnehin bereits branchenweit zu günstigen Tarifen versichert werden können. Bisweilen werden aber auch Aktionen für Berufe angeboten, die sonst aufgrund der allgemeinen Berufsrisiken schwer versicherbar sind.

„Dies scheint auf den ersten Blick insbesondere für Kunden mit Vorerkrankungen attraktiv. Nicht selten zielen aber Sonderaktionen auf erheblichen Mehrumsatz für den Versicherer durch die bewusste Inkaufnahme von risikoreicherem Geschäft ab“, weiß SIGNAL IDUNA-Experte Hinz. Vor solchen Aktionen warnen daher Experten, denn im Leistungsfall müssen Versicherte womöglich mit einer langwierigen Bearbeitung und einer geringeren Wahrscheinlichkeit für eine Anerkennung der Berufsunfähigkeit rechnen. So gleicht mancher Versicherer das Risiko im Nachgang wieder aus.

 

Prognosen schwierig

Manche Makler prüfen daher auch bestimmte Kennzahlen zur Berufsunfähigkeit eines Anbieters wie zum Beispiel die Anerkennungsquote für Leistungsanträge, die Prozessquote (die durchschnittliche Anzahl der Leistungsfälle, die nach einer Ablehnung vor Gericht gehen im Verhältnis zu den insgesamt regulierten BU-Schadensfällen) oder auch die Bearbeitungszeiten für Leistungsanträge. Wer hier Zahlen veröffentlicht und aktuell branchenüberdurchschnittlich abschneidet, so die Theorie, kann kein schlechter BU-Anbieter sein.

Doch Vorsicht. Kennzahlen liefern keine belastbare Aussage, um das Risiko eines vermeintlich zu günstigen BU-Tarifs einzuschätzen. Denn niemand kann wissen, wie ein Versicherer in Zukunft agiert – etwa in 20 Jahren, falls dann der BU-Fall eintritt. Zumal viele dieser Angaben auch nicht unabhängig nachprüfbar sind und zum Teil auf unterschiedlichen Grundlagen basieren.

Es ist daher ratsam, die Bedingungen eines vermeintlichen ‚Schnäppchen’-Tarifs genau zu prüfen. Der Preis sollte nicht das allein entscheidende Kriterium für die Auswahl einer Berufsunfähigkeitsversicherung sein.